SALZ. TON. GRANIT.
Über nukleare Vergangenheiten
und strahlende Zukünfte
Logo: SALT.CLAY.ROCK.
Künstlerische Forschung
und Ausstellung

Sonya Schönberger

Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann

Gott mit uns (250 Millionen <-> 1 Million)
Multimedia-Installation mit Tapete, Video, Salzsteinen, 2024

Sonya Schönberger untersucht in ihrer multimedialen Installation den Zusammenhang zwischen Bergbau und der Lagerung radioaktiver Abfälle in der ehemaligen Salzmine von Morsleben in Sachsen-Anhalt, dem DDR-Endlager für schwach und mittelradioaktiven Abfall, das nunmehr als Endlager bestehen bleiben wird. In der Arbeit  verbinden sich die Eigenheiten von Salz mit der Geschichte der Schächte “Marie”  in der Gemeinde Beendorf und “Bartensleben”  in der Gemeinde Morsleben. Beide Gemeinden spielen in der künstlerischen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle, Morsleben lag beispielsweise im stark kontrollierten Grenzgebiet, Angestellte des Atommülllagers benötigten Passierscheine um hier arbeiten zu können, sofern sie nicht in Morsleben lebten. Im benachbarten Beendorf befindet sich wiederum ein kleines und ehrenamtlich geführtes Museum, das sich mit der Geschichte der Zwangsarbeit im Schacht “Marie” zur Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Diesen Blick in die jüngere Vergangenheit stellt die Künstlerin den unfassbaren Zeitlichkeiten gegenüber, die sich aus der Geschichte des Salzgesteins ergeben und die für die Zukunft der Atommülllagerung gültig sind.

Der Kali- und Steinsalzbergbau im Oberen Allertal hat seinen Ursprung in Beendorf, wo der Unternehmer Gerhard Korte den ersten Schacht in der Region bauen ließ. Sein Bergbauunternehmen trug den Namen “Gott mit uns”. Der Schacht selbst wurde nach seiner Kortes Frau benannt und in 1897 als Schacht „Marie“ geteuft. Bis 1969 wurden in den untertägig verbundenen Gruben Marie und Bartensleben - der kurze Zeit später in Betrieb genommen wurde - und die heute das Endlager Morsleben bilden, Kali- und Steinsalz gefördert.

Das Ortsbild Beendorfs ist bis heute von einem massiven Salzaushub geprägt, der damals aus der Erde geholt wurde. Diese überirdische Hinterlassenschaft des Salzbergbaus verbindet Sonya Schönberger mit dem gigantischen Kosmos, der sich direkt darunter - Untertage - befindet. Eine Kamerafahrt verdeutlicht, welche Ausmaße die verbundenen Schächte haben und zeigen die in das Salz gegrabene System aus Tunneln und Kammern, in dem ab 1944 Zwangsarbeiter_innen aus ganz Europa für die Nationalsozialistische Rüstungsindustrie arbeiten mussten. Diese lässt Sonya Schönberger in Form von Zitaten zu Wort kommen, die sie der umfangreichen Publikation “Rüstung unter Tage” von Björn Kooger aus dem Jahr 2004 entnommen hat und das das Unrecht und die Verbrechen unter Tage schildern. Die Zeugnisse stemmen sich dagegen, diesen Teil der Geschichte mit dem Verfüllen des Endlagers ebenfalls zu begraben.

Fast wie Zitate aus Stein fungieren die Salzsteine, die die Künstlerin aus der Grube in den Ausstellungsraum überführt hat. Diese Spuren von Geschichte des Morlsebener und Beendorfer Salzes, die inzwischen etwa 250 Millionen Jahre andauert, sind Ankerpunkte geologischer Zeiten, die auf unendliche Zeiträume sowohl in der Vergangenheit als auch der Zukunft der Orte Morsleben und Beendorf verweisen. So hat sich der Salzstock, in dem heute schwach und mittelradioaktiver Müll eingelagert wird, während der als Zechstein bezeichnete geologische Epoche gebildet und ist durch tektonische Verschiebungen und Druck aus größerer Tiefe in ihre heutige Position gewandert. Dieser Umstand verdeutlicht ein wichtiges Charakteristikum von Salz, das es als Material für die Endlagerung qualifiziert: Es ist ein nicht sprödes, duktiles (verformbares), aber dennoch hartes Gestein und erfüllt damit viele Kriterien, die bei der Endlagersuche angewendet werden. Demnach ist es die große Aufgabe der Bundesgesellschaft für Endlagerung, die in Morsleben auch ein Informationszentrum zu ihrer Forschung Untertage betreibt, innerhalb der Salzstrukturen geeignete Bereiche für ein mögliches Endlager und damit für die kommenden eine Million Jahre zu finden.

Besonderer Dank an Anna Byskov, Swantje Claußen (BGE), Hildegard und Klaus Ebel, Christian Guinchard und Laetitia Ogorzelec (LaSA, Laboratoire de sociologie et d'anthropologie, Université Franche-Comté), Claus Hansper, Claire Kueny (ISBA Besançon), Péter László Horváth (BGE), Annette und Torsten Kniep, Flo Maak, Sven Petersen (BGE), Karla und Hartmut Schulze und Christof Zwiener.

Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann
Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann

SONYA SCHÖNBERGER ist eine in Berlin lebende Künstlerin, deren Praxis sich mit biografischen Brüchen vor dem Hintergrund politischer oder sozialer Umwälzungen auseinandersetzt. Quelle ihrer künstlerischen Auseinandersetzung sind die Menschen selber, die in biografischen Gesprächen darüber berichten. So sind einige Archive entstanden, aber auch bereits existierende, zum Teil gefundene Archive fließen in ihre Arbeit ein. Vor fünf Jahren rief sie das "Berliner Zimmer" ins Leben, ein langzeitlich angelegtes Videoarchiv basierend auf den Erzählungen der Menschen in Berlin.

www.sonyaschoenberger.de
www.berliner-zimmer.net