Katarina Sevic

Something Man-made Is Here
Soudinstallation, grafische Partitur, 2024
Katarina Sevic ist in doppelter Funktion am Projekt SALZ. TON. GRANIT. beteiligt: Sie hat die visuelle Identität des Projektes entwickelt, ihre Recherchen für das Grafikdesign bildet gleichzeitig die Grundlage für eine neue künstlerische Arbeit, die sie für die Ausstellung entwickelt hat. Anders als die anderen beteiligten Künstlerinnen, deren Arbeiten ortsspezifisch eingebettet sind sich und in der Ausstellung mit der künstlerisch-kuratorischen Forschung die dem Projekt zugrunde liegt verbinden, gilt Katarina Šević Interesse dem übergeordneten Feld der “Atomsemiotik”. In diesem Zuge befasst sie sich mit verschiedenen visuellen Kommunikationsformen, die in nukleare Kultur eingeschrieben sind, und untersucht wie diese Zeichen und Symbole sowohl von Befürworterinnen als auch von Kritiker_innen der Kernkraft und der Anti-Atom-Bewegung verwendet werden. Die Atomsemiotik ist ein herausforderndes, höchst spekulatives und ausgesprochen konzeptionelles Forschungsfeld. Ein erklärtes Ziel ist es, Sprache und Kommunikation - wie wir sie heute verstehen - zu verändern und sich mit der (Un-)Möglichkeit auseinanderzusetzen, künftige Generationen menschlichen und nicht-menschlichen Lebens vor den Gefahren radioaktiver Endlager zu warnen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Designsprachen, Zeichen und Signale entwickelt werden müssen, die über die Dauer von 100.000 Jahren verständlich bleiben. Gedacht werden muss demnach in der Zeitlichkeit nuklearer Halbwertszeiten, um sich die Kommunikation zwischen Lebewesen in einer fernen Zukunft vorzustellen.
Vor diesem Hintergrund gilt Katarina Ševićs künstlerische Recherche der Grenzen zwischen Sprache, Bedeutung und speziesübergreifender Kommunikation. Basierend auf ihrer Recherche kombiniert sie visuelle Elemente (Symbole und Schrift) zu einer Partitur, die von unterschiedlichen Singstimmen frei interpretiert wird. Zwar werden die “Noten” von menschlichen Interpret_innen aktiviert, jedoch ist das Ziel, eine eine Klanglandschaft zu schaffen, die nicht nur menschliche Kommunikation berücksichtigt. Tiergeräusche und technische klänge sowie KI-generierte [KI ist kurz für künstliche Intelligenz] Geräusche aus dem digitalen Raum werden einbezogen. Diese Verschmelzung macht das Hörstück der Künstlerin zu einer Übung die Vorstellungskraft zu erweitern und alternative Konzepte zu denken, wenn es um die Weitergabe von Informationen geht. Dabei lässt sie sich u.a. von der Arbeit des Atomsemiotikers Thomas Sebeok inspirieren. Sebeok war ein in Ungarn geborener us-amerikanischer Wissenschaftler, Semiotiker und Linguist, der sowohl menschliche als auch nicht-menschliche Kommunikationssysteme untersuchte. Er schlug u.a. vor, Mythen und Rituale in Form eines “folkloristischen inspirierten Staffel-Systems“ weiterzugeben oder die Gründung einer „Atomaren Priesterschaft“ in Überlegungen zu den Formen des Wissenstransfers einzubeziehen. Auch eigens dafür gezüchtete Arten, die als „lebende Strahlungsdetektoren“ fungieren, wurden spekulativ ins Spiel gebracht. Die Philosophen Françoise Bastide und Paolo Fabbri prägten den Begriff der „Strahlenkatze“ und schlugen vor, dass eine bestimmte Tierart in der Nähe von Strahlungsquellen die Farbe wechseln sollte.
Während die Atomenergie nahezu unbegrenzte Energie für alle verspricht, treibt sie uns unmittelbar an die Grenzen unserer Sicherheitssysteme und Kommunikationsmittel. Während auf der ganzen Welt mit Hochtouren daran gearbeitet wird, eine Endlagerlösung für radioaktive Abfälle zu finden, verfügen wir nicht über die Mittel zukünftig über diese und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, zu kommunizieren. Und es gibt auch noch keine technischen Lösungen, die dauerhaft vor dieser vermeintlichen Gefahr schützen können. Diese Spannungen und die damit einhergehende Komplexität thematisiert Katarina Ševićs in ihrer Arbeit. Dabei bewegt sie sich im Spannungsfeld zwischen Klarheit in der Kommunikation über Atomenergie und den Gefahren die mit ihr einhergehen, die Macht, die von ihr ausgeht sowie die die noch unergründete Frage, was ihre zeitliche Dimension für zukünftiges Leben bedeutet. Die Partitur wird zu einem unheimlichen „Ohrwurm“ in der Ausstellung, der die nuklearen Vergangenheiten und strahlenden Zukünfte von SALZ. TON. GRANIT. thematisiert.

KATARINA ŠEVIĆ (Berlin) arbeitet als Künstlerin und wurde in Novi Sad, Jugoslawien/Serbien geboren. Sie studierte an der Fakultät für Intermedia an der Universität der Künste in Budapest.
In ihrer künstlerischen Praxis und für ihre Designprojekte inszeniert sie Texte, Bücher, Artefakte, Orte und Archivdokumente, um dadurch etablierte Kanons und vorherrschende historische Narrative sowie deren Beziehung zu Formen des Handelns und Denkens kritisch hinterfragen und neu rahmen zu können. Sie arbeitet interdisziplinär, wodurch sowohl Objekte und Kostüme als auch Performances entstehen. Sie hat an verschiedenen kollaborativen Projekten teilgenommen, unabhängige Kunsträume in Budapest mitinitiiert und mitbegründet sowie zahlreiche Bücher herausgegeben und veröffentlicht.
https://www.katarinasevic.com/
