SALZ. TON. GRANIT.
Über nukleare Vergangenheiten
und strahlende Zukünfte
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Künstlerische Forschung
und Ausstellung

András Cséfalvay

Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann

Prometheus Unbound, Total sacrifice. For three voices, sung sadly but with vigor

Videooper, 20 min, 2024

András Cséfalvays Arbeit ist durch das lyrische Drama “Prometheus Unbound” inspiriert, geschrieben vom britischen Autor und Romantiker Percy Bysshe Shelley. Auf Grundlage des erstmals 1820 veröffentlichten Textes, hat András Cséfalvay eine Videooper in drei Akten animiert, die über das menschliche Streben nach unbegrenzter Energie nachdenkt. Und über den Preis, den wir bereit sind, dafür zu zahlen. Dabei verbindet er Mythologie mit einer science-fiction ähnlichen Ästhetik und formuliert folgende Fragen: Inwiefern ist die Menschheit bereit, auf das, was wir wissen, zu vertrauen? Welche Wirkmacht trauen wir dem zu und sind wir bereit, auf Fortschritt zu setzen?  Und wie wird unser Nachdenken über Kernenergie und ihre Hinterlassenschaften von dem Wunsch beeinflusst, die Natur zu beherrschen? Die Videoarbeit entfaltet diese Fragen mit der Hilfe von drei mythologischen Figuren - Prometheus, Asia und Cosmia -, die alle unterschiedliche Positionen vertreten. Die Grundlage für das Bühnenbild bildet eine ortsspezifische Recherche im Lager für schwach- und mittelradioaktiven Abfälle im ungarischen Bátaapáti. Die unterirdischen Tunnel und Behälter aus Beton, in denen die Abfälle gelagert werden, werden in András Cséfalvays Videooper zur Kulisse seiner Protagonist_innen und zum Schauplatz ihrer gesungenen Dialoge. In diesen besingen und diskutieren sie eine ultimative Utopie: Den Übergang von der Kernspaltung zur Kernfusion. Dadurch würde unendlich viel Energie freigesetzt, eine Errungenschaft, die mit Blick auf den Energiebedarf nachhaltiger Lebensweisen erstrebenswert erscheint. Entsprechend seiner mythologischen Vorlage, in der Prometheus der Menschheit das Feuer bringt und dafür von den Göttern bestraft wird,  fordert die Figur des Prometheus in der Videooper seine Befreiung aus der Gefangenschaft und verspricht im Gegenzug, das Wissen über Energieproduktion mit de Menschen zu teilen. Die künstlerische Arbeit führt demnach automatisch zu der Frage, ob wir diesen Weg gehen sollten. Und - wenn ja - was er mit sich bringt.

„Das oberste Ziel von Kultur ist es, zu beherrschen“, singen die Nymphen. „Wie kann etwas ohne Gewalt verändert werden? Das ist die ökologische Frage!“ Im Zentrum der Arbeit von András Cséfalvay steht die derzeitige gesellschaftliche Debatte über Energiezukünfte, die grüne Transformation [Green Transformation] die dringend gebraucht wird, und die Klimakatastrophe, deren Auswirkungen weltweit spürbar sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob technologische Lösungen möglich und  wünschenswert sind. Ist es überhaupt angebracht, optimistisch auf den Bereich der Technik zu blicken? Die künstlerische Arbeit regt dazu an, über die Beziehung zwischen Mensch und Natur nachzudenken. Gleichzeitig stellt sie den Zwiespalt zwischen Wissenschaft und Kontrolle in den Vordergrund: „Ich will dich kennen, damit du keine Macht über mich hast. Aber ich will dich nicht so gut kennen, dass ich dich überwältigen könnte. singen András Cséfalvays’ mythologische Figuren und  betonen somit die oftmals übermenschlichen Auswirkungen unseres Handelns.

In der eigens für die Ausstellung SALZ. TON. GRANIT. produzierte Arbeit verbindet der Künstler sein langjähriges Interesse an den Verflechtungen von Wissen, Wissenschaft und Macht mit seiner vielschichtigen künstlerischen Praxis. Dabei verknüpft er konzeptuelle Kunst und experimentelle Musik, dystopische und dennoch hoffnungsvolle Mytho-Poesi und spekulative Erzählungen und lädt so dazu ein, sich mit einer weitreichenden philosophischen Frage zu befassen: Dem Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Technologie. Und während er auf den Nutzen und die Wahrheit, die in Fiktionen gebündelt sind, hinweist, untermauert er seine kritischen Überlegungen mit Humor.

Die Gemeinde Bátaapáti und das Atommülllager prägen die Videooper nicht nur als animiertes Bühnenbild, der Künstler hat subtil ein kollaboratives Element in die Arbeit einfließen lassen. Der auf ungarisch eingesungene Refrain entstand mit Schülerinnen der örtlichen Grundschule und verwandelt sich in der Klanglandschaft der Oper zum Rauschen des Meeres, das die Besucherinnen der Ausstellung als eine Art Fantasiesprache wahrnehmen können.

Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann

ANDRÁS CSÉFALVAY (1986) ist ein bildender Künstler, digitaler Geschichtenerzähler und Mytho-Poet aus Bratislava, der derzeit an der Akademie der Bildenden Künste in Bratislava unterrichtet. Nach seinem Studium der Malerei und Mathematik schrieb er eine Dissertation über den Nutzen und die Realität der Fiktion. Er befasst sich mit der Beziehung zwischen Kultur und Technologie sowie mit den politischen und ethischen Aspekten des Zuhörens auf nicht dominante Stimmen in der Weltinterpretation. Seine jüngsten Arbeiten befassen sich mit der Beziehung zwischen Astronomen und indigenen Völkern beim Bau der Mauna-Kea-Teleskope, dem Flug der Dinosaurier als Überlebenstechnologie nach dem Aussterben und der Neukategorisierung des Planeten Pluto. Er ist Empfänger des Oskar Čepan Young Visual Artist Price, Mitglied des Neuen Zentrums für Forschung und Praxis und Mitbegründer der Plattform für digitale Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in Bratislava. Er stellte unter anderem in den KunstWerken Berlin, Art In General New York, Trafo Gallery Budapest, Firstdraft Sydney und Karlin Studios Prag aus.

http://www.andrascsefalvay.com/

Installationsansicht SALT. CLAY. ROCK © Lucie Marsmann