Bilanzierungsfragen: Die Auswirkungen von kulturell-transformativen Handlungen bilanzieren, die möglicherweise nicht klimaneutral sind
Der kulturelle Mehrwert lässt sich mit den Bilanzierungsmethoden des Fonds Zero nicht messen. Das mutet komisch an, widmet sich doch ein großer Teil des zeitgenössischen Kunst- und Kurations-Diskurses Fragen der Sinnstiftung und Veränderung. Was bedeutet das Kunstwerk für den oder die Künstler_in? Was vermittelt es dem Publikum? Welche Recherchen und Referenzen sind in das Werk eingeflossen, um es bedeutungsvoll zu machen? Das freie Ideen-Spiel von zeitgenössischer Kunst ist ein Freibrief, um auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die die Gesellschaft beeinflusst. Ein Großteil des vermeintlichen Wertes von Kunst liegt darin, welche neuen Ideen sie in die Gesellschaft einbringt, oft auch mit Blick auf kulturelle Erneuerung.
In den letzten Jahrzehnten hat das Genre der „Social Practice Art“ einen noch stärkeren Fokus auf den Einfluss des oder der Künstlerin bzw. Kuratorin gelegt. Bei der „Social Practice“ geht es immer noch um die Bedeutung eines Kunstwerks, aber die verwendeten Methoden unterscheiden sich von denen der allgemeinen modernen Kunst dahingehend, dass sie auf direkte Art und Weise mit dem Thema des sozialen Austausches und der performativen Wirkung spielen, was oft weit über den Kontext der Galerie hinausgeht. Während in der allgemeinen zeitgenössischen Kunst ein Gemälde für sich selbst steht, sind die Zusammensetzung und die Rezeption der spielerischen Ästhetik der Werke in der „Social Practice Art“ ebenfalls Teil des Werks. Es vermittelt oder übersetzt Konzepte oder Erfahrungen, um bedeutungsvolle Beziehungen aufzubauen. Die Ergebnisse davon sind auf eine direktere Weise transformativ – und sie greifen oft auf die Ästhetik von Protesten und Protestbewegungen zurück und tragen gleichermaßen zu dieser bei.
Als zeitgenössische Kunst oder soziale Praxis ist Kunst oft dazu fähig, Dinge zu verändern, die einem Kunstwerk oder dem oder der Künstler_in einen hypothetischen Wert verleihen. Kunst wird wertgeschätzt, weil ihre Bedeutung transformativ sein kann. Die Karrieren von Künstler_innen und Kurator_innen beruhen auf der politischen und sozialen Wirkung, die sie mit ihrer Kreativität erreichen.
Es ist bitter sich einzugestehen, dass klimaneutrale Produktion mit alledem nichts zu tun hat. Klimaneutrale Produktion mag vielleicht eine_n objekt-orientierte_n Ontolog_in begeistern, weil es dabei im Grunde um die materialistische Frage geht, wie viel CO2 durch eine Ausgabe freigesetzt oder gebunden wurde. Klimaneutrale Produktion erfasst keinerlei immaterielle Einstellungen. Sie befasst sich mit den Treibhausgas-Emissionen von einzelnen Finanz-Transaktionen oder Produkten. Ein Kunstwerk, das den Willen kommuniziert, das ganze Öl der Welt zu verbrennen und alle Wälder in Teer zu begraben, wäre – solange es klimaneutral hergestellt wurde – „klimafreundlicher“ als eine Community-Diskussion über die Errichtung einer Kohlenstoffsenke und eines Bio-Hofs in der Nachbarschaft, zu der die Teilnehmenden mit dem Auto kommen.
Wenn es um die Bilanzierung von Treibhausgas-Emissionen geht, müssen die Punkte Bedeutung sowie politische und kulturelle Entwicklung außen vorgelassen werden. Um sie geht es nicht.