Exhibition research display object 14: Ófalu protests
12.03.25
Die Fotografien sind eine Leihgabe von Erzsébet Bechli, die 2013 - 2024 Bürgermeisterin der ungarischen Gemeinde Ófalu war. Als Ende der 1980er Jahre Pläne öffentlich wurden, dass von Seiten des Kernkraftwerks in Paks vorgesehen war, in Ófalu ein Atommülllager zu bauen, beteiligte sich die junge Mutter am Widerstand. Gemeinsam mit Terézia Reisz, der Frau vom Generalstaatsanwalt in der Region, Ferenc Wekler, und zahlreichen anderen Frauen aus der schwäbischen Gemeinde, organisierte Erzsébet Bechli die Oppositionsbewegung gegen das Atommülllager. Diese engagierte und ehrgeizige Zusammenarbeit führte zum Zusammenschluss von insgesamt 12 Dörfern in der Region. Gemeinsam sammelten sie Informationen, hielten wöchentliche Treffen ab, organisierten öffentliche Veranstaltungen und waren im Austausch mit wichtigen Persönlichkeiten wie bspw. Priestern, Kindergärtnerinnen, Ärztinnen, Krankenschwestern und Lehrerinnen, allesamt angesehene und einflussreiche Mitglieder in den Gemeinden. Im Rahmen dieses einzigartigen Aktionismus wurden u.a. auch Informationsbroschüren gedruckt und verteilt. Kulturelle Gruppen, wie die Volkstanzgruppe der deutschsprachigen Minderheit, spielten eine zentrale Rolle in dieser Basisbewegung, die auch mit Gruppen der Roma und Székely in Verbindung standen.
Die führenden Köpfe in den Bestrebungen, den Bau des Atommülllagers zu verhindern, waren meist junge Intellektuelle, die in Budapest studiert haben. Sie hatten Zugriff auf kritische Informationen und konnten aufgrund ihrer Verbindungen Umweltaktivistinnen von außerhalb für größere Veranstaltungen gewinnen. Jedoch waren zu dieser Zeit trotz des gemäßigten, aber instabilen Einparteienstaates kritische und selbstorganisierte Aktionen verboten. Die Protestlerinnen mussten mit Schikanen rechnen, wie z.B. unangekündigte Durchsuchungen durch die Behörden, oder sahen sich Restriktionen ausgesetzt, wie etwa das wahllose Verweigern von amtlichen Genehmigungen oder den Verlust des Arbeitsplatzes.
Dennoch tolerierte der Staat oppositionelle Stimmen aus der Umweltbewegung vergleichsweise häufig. Dadurch sahen sich die Widerständler_innen dazu ermutigt, ihre Gemeinden gegen äußere Bedrohungen zu verteidigen. Ihre Slogans hallen bis heute nach: „Wir wollen hier leben“, “Wir wollen leben und nicht begraben werden”, “Wir wollen nicht, dass unser Dorf zerstört wird” und “Paks - legt eine Bombe unter uns”. Seit ihrer Anfangszeit hat Terézia Reisz sich weiter dem Umweltaktivismus verschrieben. Sie bemüht sich darum, die Region vor verschiedenen Bedrohungen zu schützen, darunter Vorschläge, eine Zementfabrik, ein Endlager für Akkumulatoren, eine Chemiefabrik und eine Müllverbrennungsanlage zu erbauen. Erzsébet Bechli überlegt, ihre Memoiren zu schreiben und die Mitglieder des Protests zu einer Gedenkveranstaltung zu versammeln. Denn der Widerstand, der sich in Ófalu formierte, ist ein nahezu unbeachteter Teil ungarischer Geschichte, der aktuell lediglich in privaten Fotoalben archiviert wird.

